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.  "Wer zahlt, schafft an"
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  Bio-Patente:
  Europäisches Patentamt trifft Entscheidung für die Industrie
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  Erteilung von Patenten auf Pflanzen wieder möglich. 
  Landwirte,  Verbraucher und Züchter geraten noch mehr in 
  Abhängigkeit der grossen Konzerne.

  "Das höchste europäische Patentgericht hat den Weg für die Patentierung von
  gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren freigemacht. Die große 
  Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes gab einer Beschwerde des
  Basler Chemiekonzerns Novartis statt, der krankheitsresistene Pflanzen
  patentieren lassen will. Pflanzen seien somit grundsätzlich patentfähig,
  erklärte ein Sprecher. Die Schutzrechte könnten auch dann erteilt werden,
  wenn ein Antrag keine konkrete Pflanzensorte nenne, aber möglicherweise
  Sorten umfasse."  1 

  Früher als erwartet, entschied gestern die Große Beschwerdekammer in letzter Instanz über eine offene Kontroverse. 1995 hatte Greenpeace ein Urteil erstritten, nach dem Patente auf Leben nicht mehr durch eine Uminterpretation des bestehenden Rechtes möglich sein sollten.
1998 wurde das Urteil von der Firma Novartis anläßlich eines eigenen Patentantrages ange- fochten. In dieser Sache fiel jetzt die Entscheidung zugunsten von Novartis. Damit wird eine unglaublich wortverdrehende Auslegungspraxis, die in den Jahren vor 1995 Verwendung fand, bestätigt, daß zwar Pflanzensorten nicht patentiert werden können, wohl aber zahlreiche Pflanzensorten, wenn sie eine höhere Gruppierung bilden, z.B: eine Pflanzenfamilie. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Stellen Sie sich vor, in einem Lebensmittelgeschäft hängt ein Schild: "Kein Zutritt für Hunde", aber ein Hundebesitzer nimmt noch eine Katze und ein Meerschweinchen dazu und argumentiert jetzt, alle drei zusammen seien Säugetiere und davon stünde nichts auf dem Schild.

  Das EPA begründet seine gestrige Entscheidung mit einer Komplementarität zwischen dem Patent- und dem Sortenschutzgesetz. Patentierbar soll nur sein, was nicht durch das Sorten- schutzgesetz abgedeckt ist. Das Sortenschutzgesetz gilt aber nur für Pflanzen. Damit hat das Patentamt einen Unterschied in der Rechtslage zwischen Pflanzen und Tieren geschaffen. Wie wird das EPA mit dem Unterschied in Zukunft umgehen?

  Diese Entscheidung hebt gleichzeitig den Widerspruch zwischen dem Haupttext des 
Patentübereinkommens und den Ausführungsbestimmungen auf, der durch die Einfügung eines neuen Kapitels am 16. Juni 1999 entstanden war. In dieses Kapitel ist sinngemäß das explizit 
hineingeschrieben, was vor 1995 auf umstrittene Weise aus dem Gesetzestext herausgelesen wurde. Da aber diese Auslegung seit gestern  für rechtens erklärt ist, gibt es auch keinen Widerspruch mehr zwischen der alten und der neuen Gesetzesfassung (mit dem zugefügten Kapitel). So wird die - übrigens nicht auf rechtmäßigem Wege zustande gekommene - Neueinfügung eines Kapitels nachträglich zu einer bloßen Verdeutlichung der angeblich vorher schon in dieser Form existenten Rechtslage. Zumindest gilt das alles für Pflanzen.

  Außerdem wird durch die gestrige Entscheidung der Abstand zwischen den beiden Rechtssystemen verringert. Seit dem Sommer 1998 gibt es auf europäischer Ebene - und zwar ausschließlich für die Patentierung von Leben - ein zweites System, nämlich die EU-"Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen". Sie muß bis zum 30. Juli 2000 von allen EU-Staaten in nationales Recht umgewandelt werden. In dieser Richtlinie ist die bisherige scharfe Unterscheidung zwischen Erfindung und Entdeckung teilweise aufgehoben. Eine Aufweichung dieser Trennung ist auch im Neuerlaß vom Juni 1999 erkennbar.

  Es ist empörend, wie einseitig das Europäische Patentamt den Interessen der Industrie Rechnung trägt und damit die Gegenargumente einer sehr großen Zahl von Bürgern übergeht. Die Einwände gegen eine Patentierung von Leben (und dazu gehören auch menschliche Organe, Gewebe, Zellen oder Gene) umfassen ein sehr weites Spektrum: ethische Bedenken, Fragen der Menschenrechte, des Tierschutzes, Einwände aus sozialen, wirtschaftspolitischen und auch rein juristischen Gründen. Auch die Frage nach der demokratischen Legitimierung der Patentämter muß gestellt werden, denn bei dieser Einrichtung befinden sich entgegen allen Grundsätzen der Demokratie Gesetzgebung, Urteilsfindung und Berufungsentscheidung unter einem Dach und unter der Leitung ein und desselben Präsidenten. Demokratie ist einem Ausgleich der Interessen in einer Gesellschaft verpflichtet. Das Patentamt dagegen praktiziert eine reine Interessenvertretung der Industrie. Schließlich ist die Industrrie der Haupt-Geldgeber für das Patentamt, es finanziert sich nämlich aus den anfallenden Gebühren, die hauptsächlich von der Industrie kommen. Wer zahlt, schafft an.

  Zu dieser Parteinahme und der daraus resultieren Haltung gegenüber der Bevölkerung gehören auch zahlreiche Formulierungen in den Gesetzestexten, die nur als Augenwischerei bezeichnet werden können. z.B. steht im neuen Text vom Juni 1999 - eigentlich unmissverständlich -: von der Patentierbarkeit ausgenommen seien "der menschliche Körper und seine Bestandteile." Dürfen also keine menschlichen Blutzellen patentiert werden und keine menschlichen Gene? Weit gefehlt, denn im nächsten Abschnitt heißt es weiter: "Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil einschliesslich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens kann eine patentierbare Erfindung sein." Es wird nicht einmal verlangt, daß das technische Verfahren für die Gewinnung eines solchen Bestandteils neu sein müsse. Das bedeutet, Blut ist nicht patentierbar, solange es in den Adern fließt. Wird es aber mit einer herkömmlichen Kanüle entnommen, verwandelt es sich in dem Moment in eine patentierbare Sache. Entsprechendes gilt für Gene.

Solche Passagen werden von Patentamt und Industrie zu Werbezwecken sinnentstellend verwendet. Der erste Teil wird zitiert, um zu belegen, daß die Argumente der Gegner unbegründet seien und der zweite Teil bleibt unerwähnt, ist aber der für die Praxis relevante Teil. Den Gegnern wirft man bewußtes Fehlinformieren der Bevölkerung vor. Mit dem Brustton der Überzeugung wird der Eindruck erweckt, es sei alles verantwortungsbewußt und nach demokratischen Prinzipien geregelt und alle anderen Äußerungen hierzu seien reine Panikmache. In den Medien kommen Patentamt, Industrie und Wissenschaft ausführlich zu Wort, bei den Gegnern heißt es: "Bitte einen Zwanzig-Sekunden-Satz."

  Mit der Entscheidung ist ein weiterer Schritt getan zu einer Inbesitznahme der belebten Natur zu Produktionszwecken. Den Gegnern wird oft vorgehalten, der Mensch hätte schon seit Jahrtausenden Tiere und Pflanzen besessen. Dieses Argument trifft aber nicht den Punkt. Noch nie hat es Besitzansprüche von lebender Natur in einer solchen Form mit so weitreichenden potentiellen Ausmaßen gegeben. Es geht nicht um einzelne Tiere und Pflanzen, sondern um deren Baupläne. Baupläne, von der Natur geschaffen und vom Menschen nur marginal verändert, sind nach wie vor überwiegend ein Stück Natur und nicht menschliche Erfindung. Die Besitzansprüche richten sich auf Baupläne (genetische Konstitutionen), das bedeutet, auf alle Tiere oder Pflanzen mit solchen Genen, einschließlich der folgenden Generationen bis zum Auslaufen des Patentes. Das hat es noch nie gegeben.

Linde Peters

 


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Rechnung ohne die Verbraucher gemacht
Europäisches Patentgericht hört nur auf die Bio-Multis

  Der Boden für die Aussaat gentechnisch veränderter Keime ist bereitet, das höchste europäische Patentgericht hat gründliche Arbeit geleistet. (...)

  Das Patent auf krankheitsresistente Pflanzen kann viele Sorten umfassen, ja sogar das Produkt aus einer Pflanze - und jedesmal werden Lizenzgebühren fällig. Der Segen solcher Gentechnik scheint nur den Konzernen zu gehören, die dafür sorgen, daß die Abhängigkeiten von Dauer sind. Sie erschaffen steriles Getreide, aus dem die Bauern kein Saatgut gewinnen können, sondern neues kaufen müssen.

  Die Konzerne aber haben ihre Rechnung ohne die Verbraucher gemacht. Es wächst in Europa und in den USA die Zahl der Gegner einer Technik, deren Gefahren für Gesundheit und Umwelt noch nicht einzuschätzen sind. Der Konzern Monsanto ist in Schwierigkeiten geraten, da das Monopol-Geschäft nicht so gut läuft wie geplant. Farmer steigen aus, weil sie fürchten, die Gen-Ernte nicht verkaufen zu können. Verbände klagen, weil Gesundheitsrisiken von Gen-Mais und Gen-Soja nicht sorgfältig untersucht worden seien. Und Europa wird zurückhaltender als bisher. Die EU-Umweltminister beschlossen im Juni eine Art Moratorium für die Zulassung transgener Pflanzen, bis eine neue Richtlinie verabschiedet ist, die Gesundheits- und Umweltschutz in den Vordergrund stellen soll. Italien und Griechenland gehen in ihrer Skepsis soweit, daß sie gegen die EU-Richtlinie Einspruch beim Europäischen Gerichtshof erhoben.
 
  Das Europäische Patentgericht aber will von all dem nichts hören, es hört nur auf die Biotech-Multis. Mit seinem Spruch versuchte es, politische Entscheidungen vorzugreifen, auch einer überfälligen Novellierung des Patentrechts. Europa sollte sich diese Bevormundung nicht gefallen lassen.    

Heidrung Graupner    
in der SZ vom 22.12.99    
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Gen-Firma garantiert ihren Arbeitern genfreies Essen

  Die Londoner Niederlassung des Monsanto-Konzerns garantiert den Mitarbeitern, daß ihnen keine Gerichte unter Verwendung von Gen-Mais oder Gen-Soja vorgesetzt werden. Monsanto gehört zu den Vorreitern bei der Entwicklung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln.

Quelle: FR v. 23.12.99   .


 
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Die Homepage von "Kein Patent auf Leben!"
http://members.aol.com/KeinPatent
beinhaltet umfangreiche Informationen zum Thema
"Patente auf Tiere und Pflanzen"
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Unter dem Titel 
"Gene, Monopole und Life Industry"
hat Greenpeace eine aktuelle Dokumentation
 zu den weitreichenden Folgen der Patentierung von Leben
herausgegeben.
Greenpeace fordert ein Verbot 
der Patentierung  von Lebewesen und deren Genen.
Die Dokumentation ist im Internet abrufbar unter:
http://www.greenpeace.de

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. .1 dpa-Meldung vom 20.12.99

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