Betrifft: Gesellschaft und Politik
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Von der Arbeits- zur Wissensökonomie
Über Enteignung und Wiederaneignung der Arbeit

Enteignete Arbeit
(...) Wie man es in Urcs (von Marx viel zitierter) Philosophy of Manufactures nachlesen kann, ging es den frühkapitalistischen Arbeitgebern darum, die Macht der bisher selbständigen Arbeiter über ihre Arbeitsmittel, Arbeitszeit und Erzeugnisse zu brechen, um sie zur Lohnarbeit und Lohnabhängigkeit zwingen zu können. Der Besitz und Gebrauch von Arbeitsmitteln war den Arbeitgebern vorbehalten. (...)
Die Monopolisierung der Arbeitsmittel durch das Kapital hat sich im Laufe der Zeit verselbständigt. Der gesellschaftliche Produktionsprozess wurde immer arbeitsteiliger, komplexer und undurchsichtiger, die Fertigkeiten und das Wissen wurden immer enger spezialisiert. Die verschiedenen Arbeiten und deren unmittelbaren Ergebnisse hatten nur noch Tauschwert, nicht aber Gebrauchs- oder Eigenwert. Sie dienten in erster Linie dazu, Geld zu verdienen, um alles, was ein Mensch braucht oder wünscht, kaufen zu können. Entsprechend hat die Gesellschaft die Menschen in einer Weise geschult und sozialisiert, die sie fremdbestimmter, funktional spezialisierter Erwerbsarbeit fähig, aber zu Eigenarbeit, Selbstversorgung, Muße und Besinnung unfähig macht. Denn allein Menschen, deren Fähigkeiten seit der frühen Kindheit auf die unmittelbaren Bedürfnisse von Arbeitgebern zugeschnitten sind, sind gezwungen, Arbeit zu "suchen" und zu "finden", um arbeiten zu können.

Diskontinuierliches Arbeiten
  Nun vollzieht sich seit 25 Jahren ein doppelter, tiefgreifender Wandel: Die Menge von Arbeit, deren das Kapital für seine größtmögliche Verwertung bedarf, nimmt rapide ab. Und zudem wird das Monopol, das sich das Kapital als Alleinbesitzer der ausschlaggebenden Produktions- und Arbeitsmittel aufgebaut hat, brüchig.
  Das Zusammenschrumpfen des benötigten Erwerbsvolumens (in Westdeutschland: minus 10 Prozent seit 1991, minus 17 Prozent seit 1980, minus 32 Prozent seit 1965) hat u.a. zur Folge, daß stabile, vollzeitige Arbeitsplätze immer seltener, häufig unterbrochene, diskontinuierliche Erwerbsverläufe zur Normalität werden. (...) Das sogenannte "Normalarbeitsverhältnis" gilt in Westdeutschland nur noch für 55 Prozent der Beschäftigten (1980: 80 Prozent), in Italien und Großbritannien für weniger als die Hälfte, in den 500 größten US-amerikanischen Unternehmen für bloß 10 Prozent. (...).
  Unter diesen Umständen wird es einleuchtend, für alle Bürger ein garantiertes Grundeinkommen zu fordern. Durch diese Grundsicherung wird es möglich, die Diskontinuität des Erwerbsverlaufs in ein neues Freiheitsrecht umzuwandeln, d.h. in das Recht auf längere und kürzere Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, während derer man mit dem Grundeinkommen auskommen kann. Arbeits- und Nichtarbeitsperioden müssen auf Grund dieses Rechts individuell ausgehandelt werden, wie bereits in einer Anzahl fortschrittlicher Betriebe. Da die gesellschaftliche Schöpfung immer weniger Arbeit erfordert, darf auch das Recht auf ein ausreichendes Einkommen nicht von der Menge der geleisteten Erwerbsarbeit abhängen.
  (...) Die Zukunft liegt in einer Wechselbeziehung zwischen immer kürzeren Perioden bezahlter Arbeit und immer längeren Perioden freier, individueller und gemeinschaftlicher Selbsttätigkeit. Es ist höchste Zeit, die ideologische Erwerbsarbeitszentrierung zu bekämpfen, nicht nur in der Erziehung und der Bildung, sondern auch praktisch, und zwar durch Maßnahmen und öffentliche Einrichtungen, die es allen sozusagen veranschaulichen, daß die Gesellschaft die freiwilligen Selbsttätigkeiten mindestens ebenso hoch bewertet wie die Erwerbsarbeit und auch bereit ist, ihre freie Entfaltung bedingungslos zu fördern.

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