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Mittags war Andrew Thomas aufgestanden,
hatte sich, wie noch an jedem Tag, im Schlafanzug vor den Fernseher gesetzt
und war nicht mehr hochgekommen. Seine Mutter saß bei ihm bis zwei
Uhr früh, ging dann selber zu Bett und der Sohn - am nächsten
Tag war er tot. Ein noch junger Mensch, 27, männlich, weiß,
ledig, dazu britischer Staatsbürger, ist plötzlich und unerwartet
gestorben, meldete der Daily Telegraph.
Kein Herzinfarkt, keine Trombose, kein letaler Asthmaanfall, einfach so,
und gleich tot. Gestorben an der Glotze. Die Ärzte stehen pflichtschuldig
vor einem Rätsel. Wie kann ein vollkommen gesunder, allenfalls an
der Hüfte leicht angedickter Mann ohne Krankheit und erkennbare Fremdeinwirkung
sterben?
Der Lebenswille kam ihm abhanden, vermutet Andrews Vater. Reichte dafür
schon die Überdosis Fernsehen?
Andrew Thomas war nicht krank, bloß ohne Arbeit. Er hatte in einem
Supermarkt gearbeitet, bis er 1992 entlassen wurde. Regelmäßig
hatte er sich umgetan, Briefe geschrieben und sich beworben. Aber es gibt
ja keine Arbeit mehr. Einmal in der Woche stand er auf, zog sich an, verließ
das elterliche Haus, meldete sich auf dem Arbeitsamt, bekam sein Geld,
kaufte sich Videos und setzte sich zu Hause wieder vor den Fernseher.
So lebte er hin, und so starb er auch. Langsam, ganz langsam. Fünf
Jahre lang. Spielte Filme ab, zeichnete andere auf, spielte sie wieder,
sah alles, was das Auge trinken konnte.
Nicht tot und nicht lebendig, hockte er auf dem Sofa, abgeschieden von
Arbeit, Freunden und allem Leben. Je mehr er sah, desto ruhiger wurde er.
Er machte seinen Frieden mit der Welt. Sie brauchte ihn nicht mehr. Sie
wollte ihn nicht. Sie sah ihn nicht mehr, und er wehrte sich auch nicht
mehr. Durch sein Fenster sah er alles, aber es tat ihm nicht mehr weh.
Die Arbeitslosigkeit, die Untätigkeit, die Erstarrung: das alles fiel
von ihm ab. Die Erde wurde ihm leicht. Er flog davon.
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