Mediale
Wirklichkeitsverstärker
Diskussion
über Medien, Schülergewalt
und
die Konsequenzen
Die
massive Berichterstattung über Gewalt an Schulen könne Heranwachsende
auf Ideen bringen, die sie sonst nicht hätten, sagte der Medienpsychologe
und Direktor des Europäischen Medieninstituts ( http://www.eim.de)
in einem dpa-Gespräch. "Jemand der auf dem Berg wohnt, wird nie auf
die Idee kommen, ein Boot zu bauen." Den Medien sei dabei aber kein Vorwurf
zu machen. Das Mordkomplott von Schülern gegen ihre Lehrerinnen im
niederbayerischen Metten ist seiner Ansicht nach "keine platte Imitation"
ähnlicher Fälle, sondern hat vielschichtige Ursachen. "Wo das
'Feld' bereit ist, können Medien ein Auslöser sein, sagte Groebel.
"Wir müssen aber davon ausgehen, daß Jugendliche von einer medialen
Gewaltkultur umgeben sind.
Dabei spielten Videos und Videospiele eine größere Rolle als
das Fernsehen. Videospiele könnten mit einer realistischen Darstellung
von Bluttaten bewirken, daß sich Jugendliche an Brutalitäten
gewöhnen.
Die wissenschaftliche Direktorin des Institut JugendFilmFernsehen (http://www.jff.de),
Helga Theunert, meint in einem SZ-Interview vom 03.12.99, daß es
schon immer die Diskussion gab, "daß die mediale Gewalt dazu angetan
ist, Heranwachsende zu Gewalttätigkeit zu animieren. Der Beweis ist
bis heute schuldig geblieben, was auch klar ist, weil der Mensch in vielen
Gruppen mit vielen Einflüssen aufwächst. Wie soll man sicher
sagen können, daß die bildlich präsentierte mediale Gewalt
den Ausschlag für Gewalttätigkeiten eines Menschen in der Wirklichkeit
gegeben hat?...Ich würde nie den Begriff der Ursache oder des Auslösers
verwenden. Das hieße ja: Hier ist der Grund, weshalb etwas passiert.
Im Leben eines Jugendlichen, der Amok läuft, muß wahnsinnig
viel passiert sein, damit sämtliche Hemmschwellen ausgeschaltet werden.
Da können die Medien nicht Auslöser sein, das ist schon die Wirklichkeit.
(...)
Die heutigen Medienwissenschaftler sind sich einig, daß Medien eine
Verstärkerfunktion haben. Nun kann man sagen: Die Medien verstärken
nur
, was in der Wirklichkeit vorhanden ist; oder man kann sagen, die Medien
verstärken immerhin. Ich sage immerhin. Und deswegen ist es
notwendig, Medienpädagogik zu betreiben. (...) Das beginnt im Elternhaus,
Medienerziehung muß zu Hause stattfinden. Es muß weiter gehen
im Kindergarten. Das ist leider ein Problem, weil dort viele Pädagogen
sagen: Wir wollen diese ganzen Mediengeschichten von unseren Kindern fernhalten.
Die haben sie zu Hause genug. Doch gerade diese Leute wären
in der Lage, Medienkompetenz in spielerischen Formen zu fördern. Es
muß dann weitergehen in der Schule, auch ein trauriges Kapitel. Je
höher die Schulstufe, desto weniger wird sinnvoll mit Medien gearbeitet.
Die Zeitungsanalyse allein ist nicht mehr der Weg, um heutige Jugendliche
medienkompetent zu machen. Und dann gibt es noch die außerschulische
Medienarbeit. Das ist ein Weg, der sehr erfolgreich ist. (...)
Es
gibt bei den Heranwachsenden eine große Diskrepanz zwischen dem,
was in der eigenen Wirklichkeit als Gewalt wahrgenommen wird und dem, was
man in den Medien goutiert. Wir müssen darauf achten, daß dem
Jugendlichen bewusst bleibt, was Film und was Wirklicheit ist."
Nach
Ansicht des bayerischen Lehrerverbandspräsidenten Albin Dannhäuser
(http://www.lehrerverband.de)droht
die soziale Erziehung in der Schule auf der Strecke zu bleiben. Um Gewalttaten
zu verhindern, müssten Selbständigkeit und Verantwortung der
Kinder und Jugendlichen gestärkt werden, sagte er. "Dazu hat die Schule
aber immer weniger Zeit, weil sie nur auf Noten und Leistung fixiert ist."
"Neue
Qualität der Gewalt", ein Schreckgespenst der Medien?
Siegfried Lamnek, Soziologieprofessor an der Universität Eichstätt
(http://www.ku-eichstaett.de/GGF/Soziologie/sozlehr2.htm),
weist darauf hin, daß durch die breite Berichterstattung über
einzelne Gewalttaten der Eindruck entstehe, die Gewalt
an Schulen nehme zu. Die Angst sei größer als die Gefahr.
Eine Untersuchung an Rund 190 Schulen in Bayern habe jedoch ergeben,
daß die Verbreitung physischer Gewalt leicht zurückgegangen
ist. Das gelte auch für psychische Gewalt und Gewalt gegen Sachen.
Die Studie sei im wesentlichen auf ganz Deutschland übertragbar, meint
Lamnek. Der Professor fordert von den Schulen, daß sie den Schülern
und Schülerinnen eine Streitkultur vermitteln, bei der "nicht gleich
losgeschlagen wird". Die Schulen selbst sollten auch mit gutem Beispiel
vorangehen und auf repressive Methoden verzichten.
Quellen: SZ v.05.12.
, FR und ap v.02.12.99, junge welt v.29.06.99
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