. | .. Lügengewebe I | |
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Presse und Realität Mrs Dubedat: Was hast du gesagt, mein Liebling? Ich kann ihn nicht verstehn … (Seine Lippen bewegen sich wieder.) Walpole (beugt sich nieder und lauscht): Er möchte wissen, ob ein Reporter da ist. Shaw: "Der Arzt am Scheideweg" |
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Man könnte glauben, die Ereignisse geschähen und glitten ... automatisch in die Zeitung hinüber, von der Wirklichkeit in die Presse, von der Realität in die Wiedergabe. Das ist nicht richtig. Weil die Reproduktion der Wirklichkeit unendlich wichtiger ist als das Geschehnis selbst, so ist die Wirklichkeit seit langem bemüht, sich die Presse vorzuführen, wie sie gern möchte, daß sie aussehe. Der Nachrichtendienst ist das komplizierteste Lügengewebe, das je erfunden worden ist. Weit entfernt, etwa die Nachrichten von Ereignissen möglichst so wiederzugeben, wie sie geschehen sind, die Wiedergabe also möglichst der Wahrheit anzunähern, ist das Bestreben aller Fachleute darauf gerichtet, die Wiedergabe organisatorisch und pressetechnisch so zu gestalten, daß man sie für die Wahrheit ansieht und daß dabei doch die vielen Interessen von Auftraggebern, Industrien und Parteien gewahrt bleiben. Der Redakteur ist durchdrungen von dem Axiom, daß man kein Ereignis so, wie es geschehen ist, vermelden könne, und deshalb kommt ihm gar nicht mehr zum Bewußtsein, wie er die Wirklichkeit verfälscht.. schreibt Kurt Tucholsky als Ignaz Wrobel am 13. 10. 1921 in der Weltbühne (Nr. 41, Seite 373) Mehr in der taz vom 02.01.2006: http://www.taz.de/pt/2006/01/02/a0150.nf/text http://www.taz.de/pt/2006/01/02/a0152.nf/text
Kurt Tucholsky (* 9. Januar 1890 in Berlin; † 21. Dezember 1935 in
Göteborg) |
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