Anlaß zu großer Sorge
Sicherheit von Gentech-Food in Frage gestellt
Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern
forderte (...) in einem Memorandum die sofortige Rehabilitierung des
schottischen Biologen Arpad Pusztai. Der renommierte Forscher vom
Rowett-Research- Institut in Aberdeen war im August vergangenen Jahres
(1998)
von der Institutsleitung von all seinen Aufgaben suspendiert worden,
nachdem er
im Fernsehen berichtet hatte, daß bei Ratten, die mit genmanipulierten
Kartoffeln gefüttert wurden, Wachstumsstörungen und eine
Schädigung des
Immunsystems auftraten.
Aufgrund dieser Ausführungen wurde damals weltweit die Sicherheit
von
Gentech-Food in Frage gestellt. Doch schon zwei Tage später ließ
das
Rowett-Research- Institut bekanntgeben, daß an Pusztais Warnung
nichts dran
sei. Der Forscher habe Versuchsreihen verwechselt und sich auf Experimente
bezogen, die nie durchgeführt wurden, hieß es. Pusztais
Forschungsprojekt
wurde abgebrochen, selbst seine Mitarbeiter durften die Fütterungsversuche
nicht weiterführen. Dem als "Betrüger" gebrandmarkten Forscher
wurde
nahegelegt, seine Pensionierung einzureichen.
"Der Versuchsaufbau war korrekt, die Ergebnisse geben zu großer
Sorge Anlaß",
weist Beatrix Tappeser vom Freiburger Öko-Institut jetzt die Anschuldigungen
gegen Pusztai zurück. "Die Begründung für die Entlassung
ist mehr als
dürftig." Die Biologin gehört zu der Gruppe von 23 Wissenschaftlern
aus 13
Ländern, die die Experimente überprüft haben. Die Experten
kamen einhellig zu
dem Schluß: Aufgrund der vorliegenden Daten bestehe der "begründete
Verdacht,
daß der Verzehr von transgenen Pflanzen auch bei Säugetieren
erhebliche
gesundheitliche Folgen haben kann".
Die Expertengruppe, in der unter anderem Molekularbiologen, Human- und
Veterinärmediziner sowie Ernährungswissenschaftler vertreten
sind, ließen
sich alle Daten einschließlich der bisher unveröffentlichten
aus dem
Rowett-Institut vorlegen und unterzogen sie einer eingehenden Prüfung.
Obwohl
einige der Ergebnisse noch als vorläufig zu bezeichnen seien,
rechtfertigen
sie Pusztais Warnung, heißt es in dem vorgelegten Memorandum.
Neben der
Rehabilitierung Pusztais wird von den Experten unter anderem gefordert,
daß
das Forschungsprojekt unverzüglich weitergeführt wird.
Als Pusztai seine Ergebnisse im Fernsehen vorstellte, war seine Arbeitsgruppe
an dem unabhängigen Forschungsinstitut damit beschäftigt,
Erbinformationen zu
finden, die in der Pflanzenzucht zum Schutz vor Insektenfraß
eingesetzt
werden können. Die umstrittenen Fütterungsexperimente wurden
mit
manipulierten Kartoffeln durchgeführt, die ein Gen des Schneeglöckchens
enthielten. Dieses Gen ist verantwortlich für die Produktion der
sogenannten
Lektine - eine Gruppe von Proteinen, die in vielen Pflanzen produziert
werden. Die bei Pusztai eingesetzen Lektine des Schneeglöckchens
sollten
Kartoffelpflanzen vor Blattläusen und Fadenwürmern schützen.
Dies konnte
Pusztais Arbeitsgruppe auch nachweisen. In all seinen vier Experimenten
mit
Ratten konnte aber auch gezeigt werden, daß das Lektin eine Veränderung
bei
der Gewichtszunahme lebenswichtiger Organe verursacht. Schon nach zehn
Tagen
zeigten sich Veränderungen der Leber. Häufig waren auch Organe
des
Immunsystems - Milz und Thymusdrüse - betroffen. Daß Lektine
das Immunsystem
verändern können, war schon vorher bekannt. Pusztais Ergebnisse
dürften daher
die Experten auch nicht überrascht haben. Neu war aber, daß
diese Stoffgruppe
mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Zusammenhang gebracht
wurde. Die
gegenüber der Gentechnik positiv eingestellte Scientific Community
dürfte
sich vor allem dadurch aufgeschreckt gefühlt haben, daß
der schottische
Wissenschaftler in der Fernsehsendung auch klar Stellung bezogen hatte:
"Ich
würde keine genmanipulierten Kartoffeln essen", und es sei auch
nicht
akzeptabel, "die Konsumenten als Versuchskaninchen zu benutzen", sagte
er.
Vertreter der Biotech-Industrie hatten damals die Suspendierung Puztais
begrüßt: "Wir sind erfreut, daß diese Art von Falschinformationen
im Namen
der Wissenschaft unterbunden wird", so ein Vertreter des Monsanto-Konzerns.
Quelle: TAZ, 13.2.1999
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