Fr. 10.05.2002
Reaktion auf die Bluttat von Erfurt: Schärfere Auflagen für Videos und Computerspiele geplant
Neuregelung des Jugendschutzes
Fr.10.05.02 - Im Eilverfahren will die Bundesregierung Kinder und Jugendliche
besser vor Gewaltvideos und brutalen Computerspielen schützen. Als Reaktion
auf die Bluttat von Erfurt beschloss das Kabinett am Mittwoch eine Neuregelung
des Jugendschutzes. Dem schon länger vorbereiteten Entwurf zufolge soll auch
die Alkohol- und Tabakwerbung bis 22.00 Uhr aus den Kinos verbannt
und der Verkauf von Zigaretten an Kinder unter 16 Jahren verboten werden.
Das Gesetz soll noch vor der Wahl im Herbst in Kraft treten. Kritik kam von der
Union.
Bundesfamilienministerin Christine Bergmann betonte, die rasante Entwicklung der Medien
habe eine Neuordnung notwendig gemacht. Künftig sollten wie bei Filmen auch
Computerspiele für Kinder und Jugendliche nur gemäss ihres Alters freigegeben sein.
Wenn die Spiele künftig an jüngere Kinder verliehen oder verkauft werden, wird dies mit
einem Bußgeld oder anderen rechtlichen Maßnahmen geahndet.
Die bisher bestehende freiwillige Selbstkontrolle der Hersteller reiche nicht aus, erklärte
Bergmanns Staatssekretär Peter Haupt. Nach seinen Worten sollen bereits in der kommenden
Woche Fraktionen und Parlament über die Neuregelung beraten. Spätestens am 12. Juli soll der
Bundesrat dem Gesetz zustimmen. Der Terminplan sei eng und "sehr ungewöhnlich", sagte Haupt.
Gestärkt werden soll auch die Rolle der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien: Sie könnte in Zukunft
auch bei den neuen Medien eingreifen und insbesondere gewaltdarstellende Inhalte auf den Index setzen. Selbst
ohne eine Indizierung der Prüfstelle sollen Medien, die Krieg verherrlichen und die Menschenwürde verletzen, mit
Vertriebs- und Werbeverboten belegt werden können. Haupt räumte ein, dass es besonders beim Internet
Probleme mit dem Jugendschutz gebe.
Hingegen warnte der CDU-Politiker Christoph Böhr vor blindem Aktionismus. "Was nützt ein Verbot, wenn
unsere Kinder über das Internet Spiele von Anbietern in Japan, Singapur oder aus den USA herunterladen,"
fragte er. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wisse, dass ein derartiges Verbot nicht durchzusetzen sei.
Weiterhin sollen Zigaretten nicht mehr an Kinder unter 16 Jahren verkauft werden dürfen. Werbefilme für Tabak
und Alkohol sollen zukünftig im Kino nur noch ab 22.00 Uhr gezeigt werden, wenn Jugendliche unter 16 Jahren
nicht mehr die Vorstellungen besuchen dürfen. Für ein entsprechendes Werbeverbot im Fernsehen sollten Bund
und Länder einheitliche Regelungen schaffen, erklärte Haupt.
Vom Tisch ist die von Ministerin Bergmann ursprünglich geplante Senkung der Altersgrenze für Diskobesuche
von Jungen und Mädchen. Die Mehrzahl der Eltern sei dagegen, dass bereits 14-Jährige in Clubs zum Tanzen
gehen könnten, sagte Haupt. Daher halte die Regierung an den bestehenden Altersbeschränkungen fest.
Internet nicht komplett kontrollierbar
Fr.10.05.02 - Eine umfassende Kontrolle von Gewaltvideos und
Computerspielen ist nach Einschätzung der Thüringer Landesarbeitsgemeinschaft
Kinder- und Jugendschutz nicht möglich. "Das ist eine unrealistische
Vorstellung", sagte Geschäftsführer Peter Werner in einem dpa-Gespräch. Nach
dem Massaker im Gutenberg- Gymnasium Erfurt will die Bundesregierung die
Jugendschutzbestimmungen auch auf das Internet ausdehnen.
"Das Internet ist nicht komplett kontrollierbar", sagte Werner. Mit "Jugendschutz.net"
existiere zwar eine freiwillige Selbstkontrolle für das Internet, der sich mehr als 400 Provider in
Deutschland angeschlossen hätten. "Die meisten Gewaltdarstellungen im Internet
stammen aber von Anbietern in Osteuropa, den USA oder Asien. Die sind damit nicht zu kriegen."
Bei Computerspielen reicht nach Ansicht des Experten eine freiwillige Selbstkontrolle nicht aus. "Sinnvoll wäre
eine staatliche oder zumindest staatlich sanktionierte Kontrollinstanz." In diese sollten die Jugendministerien der
Länder eingebunden sein.
Strengere Kontrollen ersetzen nach Meinung Werners jedoch nicht die Verantwortung der Eltern, sich aktiv mit
den Computerspielen ihrer Kinder auseinander zu setzen. Das gelte auch für Lehrer und Verbände. Deshalb sei
es richtig und wichtig, dass die Wirkung von Gewaltdarstellungen nach der Tragödie von Erfurt jetzt intensiv und
umfassend diskutiert werde. "Man kann dem Thema jetzt nicht länger ausweichen."
Computerspiele können auf Gewaltanwendung konditionieren Der renommierte Medienforscher L. Rowell Huesmann von der Universität von Michigan stellt fest, dass Kinder durch Nachahmung lernen. Sie imitieren das Verhalten, von dem sie wissen, dass es erfolgreich ist. Wird in Kinderspielen Gewalt ausgeübt und belohnt, so besteht die Gefahr, dass die Spieler gegenüber der Gewalt toleranter werden. Psychologen von der Ruhr-Universität Bochum haben festgestellt, dass auch bei Kindern mit einer guten Bindung an ihre Eltern die Fähigkeit zum Mitleid nachlässt, wenn sie Gewaltspiele gespielt haben. Der Psychologe Ralf Streibl hat sich in einem Forschungsprojekt am Fachbereich Informatik der Uni Bremen mit kriegerischen Computerspielen auseinandergesetzt. Sein Fazit: Kinder werden in einem bestimmten Umfang auf Gewaltanwendung konditioniert. Das Wesentliche an Aggressivität im kindlichen Spiel ist eigentlich, die Freiheit, zum Beispiel jederzeit die Regeln ändern zu können. Ich hab die Gelegenheit, mich jederzeit mit dem Gegner auch zu versöhnen, ich kann aus dem Feld gehen, ich kann ausweichen und dieser ganze Bereich ist im Computerspiel natürlich sehr stark eingeschränkt. Dass sich mit Computerspielen Menschen aufs Töten trainieren lassen können, beweist auch die Ausbildung bei den amerikanischen Streitkräften. Eine Untersuchung über das Verhalten im Zweiten Weltkrieg hatte ergeben, dass lediglich 15 bis 20 Prozent der Soldaten es über sich gebracht hatten, auf einen für sie sichtbaren Gegner zu schießen. Mit den Mitteln der Desensibilisierung, Konditionierung und dem Aufbauen von Rollenmodellen wurde dieses "Problem" der Militärs in der Folgezeit behoben. Heute hat - so die Untersuchung - nur noch einer von zehn Soldaten Hemmungen, auf einen sichtbaren Feind zu schießen. Eine der beliebtesten Trainingsmethoden der US Marines zum Beispiel ist das Computerspiel Doom. Aus "Computerspiele - eine Aggressionsdroge für Jugendliche?",
"Yea!!!! Let`s go kill people" US-Militärs wollen modifiziertes PC-Spiel zum Training einsetzen
19.01.2002 - US-Marines werden zukünftig an einer modifizierten Version des PC-Spiels
Operation Flashpoint (OPF) Einsätze trainieren. Die virtuelle Kampfumgebung wird von den
OPF-Entwicklern Bohemia Interactive Studio in Kooperation mit Coalescent Technologies
produziert. Die modifizierte Version soll "Virtual Battlefield System 1" heißen und in das
bereits existierende Deployable Virtual Training Environment (DTVE) integriert werden.
Darüber hinaus wird die virtuelle Kampfumgebung ständig weiterentwickelt und durch
Aktualisierungen erweitert. Zudem sind nach Aussage der VBS1-Entwickler weitere
militärische Organisationen an dem modifiziertem Spiel interessiert. Operation Flashpoint
zählt zu den erfolgreichsten PC-Simulationen und wurde mehrfach ausgezeichnet. Der
Spieler muss unter anderem mehrere Fahrzeuge oder beispielsweise Helikopter steuern und
kann sowohl online als auch offline gegen menschliche oder computergesteuerte Gegner
kämpfen. (Quelle: partisan.net ) US-Armee verschenkt elektronische Killerspiele an Jugendliche
27.05.2002 - Ab August will die US-Armee gebührenfrei den weltweit wohl ersten amtlichen
Ego-Shooter verschicken. Freunde virtueller Kriegsführung können sich das Computerspiel "America's Army" dann
kostenlos im Internet bestellen oder in den Rekrutierungsbüros abholen. Einzige Bedingung: Interessenten müssen
zwischen 13 und 34 Jahre alt sein. Das ist die Zielgruppe, für die das "innovative, realistische Computerspiel" von
Simulations-Fachleuten des Pentagon mit Hilfe ziviler Programmierer auf der Grundlage etablierter Vorbilder entwickelt
wurde. Denn wer gern am Computer Soldat spiel, glauben die Militärs, der könnte sich ja vielleicht auch im richtigen
Leben fürs Waffenhandwerk begeistern.
Rund fünf Millionen Dollar hat sich die Armee das Ballerspiel kosten lassen. "Kein anderes Armeespiel ist so
real", verspricht die Armee. Spieler können eine virtuelle Grundausbildung absolvieren, eine Karriere als Ranger,
Scharfschütze oder Fallschirmspringer einschlagen und zum elektronischen First Sergeant aufsteigen. Im Action-Teil
geht es zu wie in jedem Ego-Shooter: Es kommt darauf an, mit dem eigenen Team den Gegner abzuknallen, bevor er
den Finger am Abzug hat. Ob das Anliegen der Armee immer verstanden wird, ist fraglich. Auf ihrer Webeite hat die
US-Armee ein parr begeisterte Zuschriften veröffentlicht. "Yea!!!! Let's go kill people", lautet eine. (Quelle: fr)
Computerspiel "Counter-Strike" - Spieler gegen Kritiker Mi.01.05.02 - Hamburg (dpa) - Der Streit um das Computerspiel "Counter-Strike" hält an: Spieler des so genannten Ego-Shooters, den auch der Erfurter Amokläufer Robert Steinhäuser gespielt haben soll, wehren sich gegen die massive Kritik von Psychologen und aus der Politik. "Computerspiele sind, wenn überhaupt, ein Ventil zum Ablassen von Aggressionen und kein Übungswerkzeug", schreibt ein Fan im Internetforum "www.counter-strike.de" . Nach dem Amoklauf des 19-Jährigen, der 16 Schüler und Erwachsene sowie sich selbst getötet hatte, forderten unter anderem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) ein sofortiges Verbot der so genannten Killerspiele. Die Spieler der Ego-Shooter reagieren darauf mit Unverständnis: "Die Hintergründe dieser Tat liegen garantiert nicht bei Computerspielen oder sonstigen Dingen. Der Attentäter war nur wieder einer dieser alleine gelassenen, gehänselten und komplexgeplagten Menschen, die nicht mit sich selber klar kommen", schreibt ein Spieler unter dem Namen "Penta" im Internetforum. Unterstützung bekommen die "CS"-Fans von Pädagogen aus Köln. Eine Forschungsgruppe der Fachhochschule für Sozialpädagogik hat im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Wirkung von Computerspielen auf die Spieler untersucht. Das Ergebnis: "Spiele sind nicht die Ursache von Gewalt", sagt Projektleiterin Tanja Witting. "Robert Steinhäuser ist mit Sicherheit nicht durch Computerspiele zum Amokläufer geworden. Allenfalls haben ihn einzelne Teile des Spiels angesprochen, dafür mussten aber erst die Voraussetzungen geschaffen werden", betont die Expertin. "Die Gewalt hat ihn im Spiel zum Helden gemacht, diese Variante der Problemlösung wollte er wohl auch in die Wirklichkeit übertragen." Die Spieler im Internet - täglich loggen sich weltweit bis zu 500 000 Teilnehmer in "Counter-Strike"-Netzwerke ein - sehen zwischen dem Amoklauf und ihrem Lieblingsspiel keinen Zusammenhang. "Nur weil man Ego-Shooter spielt, wird man noch lange kein Meisterschütze, der reihenweise Kopfschüsse abfeuern kann", meint ein "Nick". Ein Spieler, der sich "Gunman" nennt, schreibt: "Ich liebe es, im Spiel mit den Knarren zu metzeln, aber nie könnte ich jemanden im richtigen Leben so was antun. Das ist total absurd." Vielmehr fördere das Spiel die Teamfähigkeit, weil es immer gemeinsam in "Clans" gespielt werde. Nach Ansicht von Psychologen hingegen greifen psychisch labile Menschen wie der Attentäter von Erfurt gerade auf diese Darstellungen zurück und reicherten damit ihre Fantasien an. Gewaltverherrlichende Filme oder Spiele tragen nach Angaben von Psychologe Ackerschott dazu bei, dass unbewusst das Einüben von Gewalt und Töten erfolgt. Die Meinungen der Experten sind für viele Spieler nicht wichtig: "Diese so genannten Fachleute haben doch bestimmt noch nie ein solches Spiel in der Hand gehabt", heißt es im Internetforum. Die Fangemeinde ist sauer, dass "nun wieder die Computerspiele als Sündenbock" herhalten sollen. Nachdem bekannt geworden ist, dass "Counterstrike" auf den Index gesetzt werden soll, unterzeichneten mehr als 25.000 Spieler eine vom Szene-Magazin "Gamestar" initiierte Online-Petition. Tenor: "Counterstrike" sei kein primitives Ballerspiel, sondern ein sportlicher Wettkampf, bei dem es in erster Linie auf Taktik ankomme und nicht auf die Visualisierung von Gewalt. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften aufgrund diesen Protestes für ihre Verhandlung über "Counterstrike" am 16. Mai in Bonn auch Spieler zur Verhandlung eingeladen. Die Software fürs Massaker: Das sogenannte Waffenarsenal von "Counterstrike".
Die Opfer
Die Aktion
Update vom 03.06.02: Die Bundesschülervertretung hat davor gewarnt, Gewalt an Schulen ausschließlich auf den Konsum gewaltverherrlichender Medien zurückzuführen. Jugendliche würden häufiger als man denkt mit dem Faustrecht konfrontiert, insbesondere in der Politik. Das betonte Schülersprecherin Daniela Butter am Montag bei einer Anhörung des zuständigen Bundestagsausschusses über das neue Jugenschutzgesetz. "Uns erscheint es unverständlich, wie man in Schulen versuchen will, Kindern friedvolle Konfliktlösungsstrategien beizubringen, wenn die meisten Regierungen zur internationalen Konfliktlösung auf Militär statt Verhandlung setzen", monierte Butter. Auch das Computerspiel Counter-Strike, das seit dem Amoklauf von Erfurt für Empörung sorgt, existiere nicht von ungefähr. Es sei die Marktvariante eines "Desensibilisierungsprogramms" der US-Army, mit dessen Hilfe die Tötungs-Hemmung von Soldaten abtrainiert werden solle. Aber auch im Schulalltag würden Mädchen und Jungen permanent mit psychischer Gewalt konfrontiert. "Wir lernen unter Druck Arbeiten un Klausuren, um den gelernten Stoff dann wieder zu vergessen. Wir erleben Erfolgserlebnisse durch scheinbar objektive Noten, unter denen andere zu leiden haben", kritisierte die Schülersprecherin. Dies alles, so Butter, gelte es bei der Ausarbeitung eines Jugendschutzgesetzes zu bedenken. Nur mit Verboten - sei es von Tabak, von Alkoholwerbung oder von Computerspielen - sei das Ziel, Jugendliche zu Eigenverantwortung zu erziehen, nicht erreichbar. (Quelle: Frankfurter Rundschau) Mo.29.04.02
Fr.03.05.02
Mi.08.05.02
- Tutzing - Fr. 07.06. bis So. 09.06.2002 "Macht und Ohnmacht der Bilder" Fragen zu Gewalt und Terror
Tagung, zu der die Evangelische Akademie Tutzing,
Aktueller Ausgangspunkt der Überlegungen zu Macht und Ohnmacht der
Bilder sind die von kommerziellen Medien vermittelten Bilder, die von
Gewalt und Terror berichten.
Die Kernfrage der Tagung lautet: Was leisten die Künste und die ihnen
eigenen Bilder, im Film, in der Literatur, im Theater, in der Musik und
nicht zuletzt in der bildenden Kunst? Die Tagungsbeiträge fragen auf
vielfältige Weise nach der Rolle der Künste im Kontext von Terror und
Gewalt und nach der (Un)Darstellbarkeit dieses Themas in den Medien.
Vermögen es die Künste, andere Bilder zu schaffen? Oder gar Freiräume
zur Bewältigung bereitzustellen, im Gegensatz zu den vermeintlichen
Gewissheiten medialer Bilder?
Anmeldeschluss ist der 22. Mai 2002, bzw. je nach Verfügbarkeit
Evangelische Akademie Tutzing, im Tutzinger Schloss
Information:
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B.O.A.-Künstlerkooperative
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